Diese Frage hilft bei Fehlern!
 
Liebe Leserin, lieber Leser,

wo Menschen arbeiten, passieren Fehler – auch im ambulanten Pflegedienst. Bei den betreffenden Mitarbeitenden sind Fehler und Misserfolge oft mit Scham oder Angst besetzt.

Das Zentrum für Pflegeforschung und Beratung der Hochschule Bremen (ZePB) hat in einer Studie festgestellt, dass Fehler selten gemeldet werden. Das hat weitreichende negative Folgen für Pflegekunden, das Image des Pflegedienstes und die Abläufe im Team.

Erfahren Sie im heutigen Führungsimpuls, wie Sie durch Fehler und Misserfolge eine Wachstumskultur schaffen können und welche Frage dabei ganz entscheidend ist.
   
 
 
 
   
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Urban
   
   
Annett Urban,
Chefredakteurin „pdl.konkret ambulant“, fragt für Sie:
   
   
   
 
Hallo liebe Claudia,

wie Du sicherlich weißt, spielt in der Pflege- und Gesundheitsbranche das Thema Fehlermanagement eine große Rolle. Während Krankenhäuser und Arztpraxen bereits verpflichtet sind Fehlermeldesysteme zu integrieren, gibt es diese Verpflichtung in der ambulanten Pflege noch nicht.

Doch ich bin überzeugt davon, dass ein solches System eine wertvolle Bereicherung darstellt, um die Qualität eines Pflegedienstes zu verbessern.

Denn mit einem Fehlermeldesystem können Risiken in der Versorgung unserer Pflegekunden sowie in der Organisation frühzeitig erkannt und mögliche Fehlerquellen minimieren werden.

Das Wichtigste dabei ist allerdings, dass sich die Pflegemitarbeiter trauen Fehler offen anzusprechen und daraus lernen, anstatt sie zu verbergen.

Dies gelingt, wenn sich die Pflegemitarbeiter sicher und unterstützt fühlen.

Was denkst Du, Claudia? Hast Du Vorschläge oder Ideen, wie es einer Führungskraft gelingen kann ein sicheres Umfeld zu gestalten und ihre Mitarbeiter im Umgang mit Fehlern zu unterstützen? Ich freue mich auf Deinen Input!

Mit herzlichen Grüßen,

Deine Annett
 
 
 
 
 
 
   
Urban
   
   
Claudia Henrichs,
Kommunikationsexpertin für die Pflege, antwortet:
   
   
   
 
Warum Pflegende Fehler nicht melden
 
Liebe Annett, liebe Leserin, lieber Leser,

über 30% der Befragten in der Fehlerstudie vom ZePB sagten, dass sie gar nicht wissen, welche Ereignisse gemeldet werden sollen.

Mehr als 22% haben Angst, dass eine Meldung zu disziplinarischen Maßnahmen führen könnte.

21% glauben, dass es ohnehin keine Rückmeldung von der Stelle geben würde, bei der der Fehler gemeldet wurde.

Jeweils knapp 20% befürchten, dass die Person, die den Fehler gemacht und sie selbst an Ansehen verlieren würden, wenn sie den Fehler einer Kollegin oder eines Kollegen melden würden.

Diese Ergebnisse sind Grund genug mit dem Team offen über Fehler zu reden, damit für die Zukunft gelernt werden kann.
 
Wie sich Mitarbeitende verhalten, wenn sie einen Fehler gemacht haben
 
In der Praxis lassen sich drei Verhaltensweisen beobachten.

1. Selbstabwertung

Fehler und Misserfolge sind oft mit Angst oder Scham besetzt. Diese negativen Emotionen führen bei vielen Pflegekräften zu Selbstabwertung.
„Wie konnte mir so etwas passieren?“
„Was bin ich doch für ein Idiot!“

Selbstabwertung schwächt das Selbstwertgefühl, die Unsicherheit wächst und die PDL wird noch häufiger gefragt, um sich auch in einfachen Situationen abzusichern.

2. Verstecken und vertuschen

„Hoffentlich merkt das niemand!“ Einen Fehler nicht ans Tagesleicht kommen zu lassen, verbraucht viel Energie und führt zu schlechten Arbeitsabläufen oder Konflikten im Team.

3. Einen anderen Schuldigen finden

Eine weitere Strategie ist, die Schuld woanders zu suchen. Bei den Umständen, den Kollegen und Kolleginnen, den Pflegekunden, der Leitung. „Ich konnte dafür nichts!“ ist ein Satz, der oft bemüht wird.

Auch dieses Verhalten hilft weder dem Fehlerverursacher selbst, noch dem Team oder dem Pflegedienst.
 
Von der Schuldkultur zur Wachstumskultur
 
„Wie konnte das passieren?“, „Warum hast Du das gemacht?“

Das sind Fragen, die Leitungskräfte oft stellen. Diese Fragen schwächen allerdings das eh schon angeknackste Selbstwertgefühl des Betroffenen und können zu Abwehrhaltung oder Rechtfertigung führen. Damit ist niemandem geholfen!

Darüber hinaus sind diese Fragen in die Vergangenheit gerichtet. Und diese lässt sich im Nachhinein nicht mehr verändern.

Das Ziel der PDL ist es jedoch, dass der Fehler in der Zukunft nicht mehr auftritt. Dazu braucht es kraft- und energievolle Mitarbeitende, die dasselbe, aus eigenem Antrieb heraus, wollen.

Die einzig wahre Frage bei Fehlern und Misserfolgen lautet:

„Was kannst Du tun, damit es das nächste Mal anders/besser wird?“


Diese Frage hat drei Vorteile:

1. Sie sucht nach Lösungen und nicht nach Schuldigen.
2. Sie ist in die Zukunft gerichtet und
3. sie aktiviert die Selbstwirksamkeitskräfte der Pfegekraft weil die Frage zum Ausdruck bringt, dass die PDL davon überzeugt ist, dass die Pflegekraft selbst die Lösung kennt. Das stärkt das Selbstwertgefühl!

Ein konkretes Beispiel:

„Welche Idee hast Du, dass ich sofort nach der Tour über Veränderungen bei unseren Pflegekunden informiert werde?“

In diesem Beispiel ist der gewünschte Zielzustand konkretisiert worden. Sofort nach der Tour informiert werden wollen, schafft Klarheit darüber, was genau das „anders“ oder „besser“ sein soll.

Der Satzanfang könnet auch so lauten: „Was brauchst Du ....“

„Was brauchst Du“ lässt zu, dass die Leitung selbst einen Anteil an der Lösung haben kann. In meinen Workshops kommt oft von den Mitarbeitenden der Wunsch, dass die PDL oder die Stellvertretung für eine gewisse Zeit nach der Tour ansprechbar sein sollen.

Die Fehler von Einzelnen werden also zu einer wertvollen Rückmeldung ins System. Mit System ist das Team, der Pflegedienst gemeint.

Viele Leitungskräfte meinen, sie müssten unbedingt zuerst die Vergangenheit analysieren um danach Lösungen für die Zukunft entwickeln zu können.

In unserem Beispiel hätte die PDL gefragt, warum sie nicht darüber informiert worden sei, dass die Pflegekundin mehr Leistungen braucht. Glauben Sie mir, wenn Sie nach Veränderungen in der Zukunft fragen, kommt nebenbei automatisch heraus, was in der Vergangenheit suboptimal gelaufen ist. Der Unterschied, wenn Sie sofort den Fokus auf die Zukunft legen, liegt darin, dass diese Herangehensweise stärkt und nicht schwächt.
 
Der Fehler des Monats
 
Fehler und Misserfolge offen zugeben, zu seinen Fehlern stehen und Fehler als Helfer zu betrachten sind Zeichen dafür, dass in einem Pflegedienst keine Schuld- sondern eine Wachstumskultur gelebt wird.

Um das Wirklichkeit werden zu lassen, reicht es nicht, die Frage umzustellen, sondern die Leitung muss davon überzeugt sein, dass Fehler Chancen sind.

Die Geschäftsführerin eines Pflegedienstes prämiert Monat für Monat eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter, der den Fehler des Monats gemacht hat. Ihr ist aus Überzeugung bewusst, dass nur wenn ein Team offen mit Fehlern umgeht, Missstände abgestellt werden können und alle profitieren.

Ich hoffe, auch mein heutiger Führungsimpuls hat Ihnen gefallen. Schreiben Sie mir gerne, welche Erfahrungen Sie bei der Umsetzung gemacht haben. Haben Sie konkrete Führungsthemen, die ich in einer der nächsten Folgen für Sie aufbereiten soll? Sehr gerne! Schreiben Sie mir unter fuehrungsimpulse@ppm-online.org. Ich freue mich auf Ihre Nachricht!

Herzliche Grüße,
Ihre Claudia Henrichs

PS: Sie haben unsere ersten Folgen verpasst? Kein Problem auf www.pdl-konkret.de/Fuehrungsimpulse finden Sie alle bislang erschienenen Folgen von „Führungsimpulse“ zum Nachlesen und Nachhören.

PPS: Dieses Zitat zum heutigen Thema habe ich für Sie mitgebracht:
 
 
 
Zitat der Woche
„Fehler werden als Kompetenz gewertet, sind Rückmeldungen ins System und ein Lernfeld für alle!“

Dr. Gunther Schmidt, Begründer der hypnosystemischen Therapie