Müssen Sie als Führungskraft authentisch sein?
 
Liebe Leserin, lieber Leser,

als Leitungskraft will ich authentisch sein! Denken Sie das auch? Mich irritiert diese Aussage, denn manchmal steckt ein Beharrungswunsch dahinter: „Ich will mich nicht verändern, ich will so bleiben, wie ich bin!“


Im Workshop „Führungs-Kommunikation“ sagte eine Teilnehmerin, dass sie ein Kritikgespräch so nicht führen wollen würden, weil sie dann nicht mehr authentisch wäre.

Etwas provokant, das gebe ich zu, fragte ich: „Stellt Euch vor, ein Mörder wird aus dem Gefängnis entlassen und begeht gleich wieder einen Mord. Ist er authentisch?”

„Klar!”
war die Antwort.

„Ist also authentisch sein generell positiv?” fragte ich nach und natürlich schüttelten alle Teilnehmerinnen mit dem Kopf.

Erfahren Sie im heutigen Führungsimpuls, was es eigentlich bedeutet, als Leitungskraft authentisch zu sein, was Authentizität mit Ihren Werten und den Erwartungen, die an Sie gestellt werden, zu tun hat.

Annett Urban hat zu unserem Thema heute diese Frage mitgebracht ...
   
 
 
 
   
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Urban
   
   
Annett Urban,
Chefredakteurin „pdl.konkret ambulant“, fragt für Sie:
   
   
   
 
Hallo liebe Claudia,

ich bin es, Annett von „pdl.konkret ambulant“.

Heute geht es darum, wie wichtig es ist, als PDL authentisch zu sein, also im Einklang mit den eigenen Werten zu handeln. Dies schafft nicht nur Vertrauen und Respekt bei den Mitarbeitern, sondern fördert auch eine offene Kommunikation und eine positive Arbeitsatmosphäre.

Ein häufiges Missverständnis über Authentische Führung ist, dass man einfach „man selbst“ sein soll, ohne Rücksicht auf die Umstände oder die Gefühle anderer.

Doch das ist nicht ganz richtig, denn Authentisch zu sein heißt nicht, stur an dem festzuhalten, was man immer war, sondern sich treu zu bleiben, während man sich weiterentwickelt und anpasst.

In Wahrheit erfordert authentische Führung also eine sorgfältige Balance: Du musst deine Werte kennen und ausdrücken, aber in einer Weise, die konstruktiv ist und die Unternehmensziele unterstützt.

Authentisch zu sein, bedeutet also nicht, Veränderungen abzulehnen, sondern die Art, wie man sich verändert und entwickelt, authentisch zu gestalten. Wie schafft man es aber, diese Integrität zu bewahren, während man sich anpasst und weiterentwickelt? Gibt es bestimmte Strategien oder Methoden, die dabei helfen können?

Ich freue mich schon sehr darauf, deine Gedanken dazu zu hören!

Liebe Grüße, Annett aus der „PDL-Redaktion“
 
 
 
 
 
 
   
Urban
   
   
Claudia Henrichs,
Kommunikationsexpertin für die Pflege, antwortet:
   
   
   
 
Liebe Annett,

da wirfst Du eine wichtige Frage auf. Mein Eindruck ist, dass alle authentisch sein wollen, viele damit allerdings an ihre Grenzen kommen oder sogar Grenzen setzen.
 
Was ist Authentizität?
 
Das Wort „Authentizität” stammt vom griechischen Wort „authentikós” ab, was so viel bedeutet wie „echt”, „glaubwürdig” oder „ganz ich selbst sein“.

Eine Leitungskraft wird dann als authentisch wahrgenommen, wenn sie ihre Stärken, und Schwächen kennt und ihre Gefühle bewusst wahrnimmt. Wenn sie sich mit sich selbst beschäftigt hat und weiß, welche Werte ihr wichtig sind.

Zum authentisch sein gehört auch, offen für Rückmeldungen zu sein, diese zu reflektieren und aufrichtig über Fehler, Sorgen und Schwächen reden zu können.

Dann kann eine Leitungskraft ihr Verhalten und Handeln steuern.
 
   

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Welche Werte sind Ihnen wichtig?
 
Diese Frage lässt sich nicht so leicht zu beantworten, oder? Ein Wert ist etwas, was Ihnen persönlich im Leben besonders wichtig, richtig und sinnvoll ist.

Nehmen Sie sich doch jetzt einmal drei Atemzüge Zeit und schreiben Sie spontan auf einen Zettel was für Sie die wichtigsten Werte als Führungskraft sind.

Auf seiner Webseite hat Steve Pavlina 346 unterschiedliche Werte aufgelistet. Vielleicht haben Sie Lust sich davon inspirieren zu lassen.
 
Welche Auswirkungen haben Erwartungen anderer auf mein „echt sein“?
 
Authentischen Menschen ist bewusst, dass sie im Leben unterschiedliche Rollen innehaben. Als Leitungskraft in der ambulanten Pflege haben Sie viele Rollen
Führungskraft für Ihr Team,
Mitarbeiterin Ihres Chefs
Kollege in derselben Hierarchieebene
Ansprechpartnerin für Pflegekunden und Angehörige
Kooperationspartner für externe Dienstleister
und verschiedene mehr!

Mit jeder Rolle, die Sie innehaben, wird ein Bündel von unterschiedlichen Erwartungen verknüpft, die andere an Sie stellen.

Wenn von Ihnen in einer Ihrer Rollen Dinge verlangt werden, die Ihren wichtigen Werten widersprechen, zeigen Sie Rückgrat, wenn Sie sich verweigern. Dann sind Sie wirklich echt bzw. authentisch.
 
   

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Authentisch sein hat Konsequenzen
 
Authentisch sein bedeutet, seine Werte zu kennen und danach zu handeln, auch wenn dadurch Nachteile zu befürchten sind.

Ein Beispiel:

Ihr Arbeitgeber verlangt von Ihnen in den nächsten drei Monaten, neben Ihrer regulären Tätigkeit als Pflegedienstleitung noch zusätzliche Verwaltungsaufgaben zu übernehmen. Sie sehen dadurch Ihre Work-Life-Balance und gesunde Arbeitsbelastung gefährdet, was für Sie einen hohen Stellenwert hat.

Sie haben jetzt mindestens zwei Möglichkeiten:
 
1.Sie entscheiden sich gegen die Mehrarbeit, kommunizieren dies klar an Ihre Führung und begründen es mit Ihrer persönlichen Grenze. Sie handeln damit authentisch gemäß Ihren Werten und zeigen Stärke, indem Sie zu dieser Entscheidung stehen.
2.Sie übernehmen die zusätzliche Arbeitsbelastung, weil es Ihnen wichtig ist, dass „der Laden rund läuft“.

Welche dieser beiden Möglichkeiten ist denn jetzt authentisch?

Es ist eine große Herausforderung, zum einen alle Erwartungen zu erfüllen und zum anderen die eigenen Werte und Überzeugungen zu leben. Kaum jemand kann ausschließlich komplett authentisch sein.

Mein Tipp:

Entscheiden Sie, wann es wichtig ist, sich ein Stück weit den Erwartungen anzupassen, auch wenn Ihr Handeln dann nicht so ganz Ihren Überzeugungen entspricht.

Wenn Sie dieses Thema interessiert, dann lesen/hören Sie doch einmal die Folge: 19.23 Welche Auswirkungen die Antreiber streng dich an + Mach es allen recht auf Ihre Führungsrolle haben!
 
Wann ist authentisch sein wollen ein Vorwand?
 
Ich will nichts anders machen als bisher! Ich werde meine Konfliktgespräche so führen, wie immer. Auch wenn ich mit einer Kündigung oder Krankmeldung rechne! Das kann auch authentisch sein.

Oder eben ein Vorwand, um nichts verändern zu müssen. Ich will in meiner Komfortzone bleiben, den Kreis meiner Gewohnheiten nicht durchbrechen!

„Ich bin eben so!“ Ist ein Appell an die Umwelt, mich so zu nehmen, wie ich bin oder es zu lassen.
Im Pflegeteam wird die harmoniebedürftige Kollegin zum Mädchen für alles.
Um die meistens schlecht Gelaunte macht man eben einen Bogen.
Der Bedenkenträger sprengt jede Dienstbesprechung.
Der Dominanten passt man sich an.
Wenn sich die Veränderungsunwillige nicht mit Gesprächstechniken befassen will, dann braucht sie es auch nicht.

Aus diesen Beispielen wird deutlich, dass unser Handeln nach Werten auch negative Auswirkungen auf das Umfeld haben kann.

Authentizität als Vorwand zu nutzen, alles so zu machen wie immer, lässt keine Veränderung zu, führt zu Konflikten und Reibungsverlusten im Arbeitsablauf.

Fazit

Wer
seine Stärken und Schwächen kennt,
seine Gefühle bewusst wahrnimmt,
aufrichtig über Fehler, Schwächen und Stärken reden kann,
Rückmeldungen einfordert,
weiß, welche Werte ihm*ihr wichtig sind,
sich der unterschiedlichen Rollenerwartungen bewusst ist,
analysiert inwieweit das Verhalten zieldienlich ist,

kann sich weiterentwickeln und verändern - und trotzdem authentisch bleiben.

Ich hoffe, auch mein heutiger Führungsimpuls hat Ihnen gefallen. Schreiben Sie mir gerne, welche Erfahrungen Sie bei der Umsetzung gemacht haben. Haben Sie konkrete Führungsthemen, die ich in einer der nächsten Folgen für Sie aufbereiten soll? Sehr gerne! Schreiben Sie mir unter fuehrungsimpulse@ppm-online.org. Ich freue mich auf Ihre Nachricht!

Herzliche Grüße,
Ihre Claudia Henrichs

PS: Sie haben unsere ersten Folgen verpasst? Kein Problem auf www.pdl-konkret.de/Fuehrungsimpulse finden Sie alle bislang erschienenen Folgen von „Führungsimpulse“ zum Nachlesen und Nachhören.

PPS: Dieses Zitat zum heutigen Thema habe ich für Sie mitgebracht:
Zitat der Woche
„Authentizität ist das Ergebnis von Selbstreflexion.“

Ben Schulz, deutscher Unternehmens- und Führungskräfteberater